Velosophismus.

Ich fahre mir davon in der Hoffnung, als jemand zurückzukehren, der nicht identisch ist mit dem, der weggefahren war. Die Utopie beim Radfahren ist, dass man irgendwann schneller wird als die schädlichen Gedanken, die die freie Kapazität der Großhirnrinde in Beschlag nehmen. Meine Erfahrung sagt mir, dass man nach reichlich einer Stunde an die Grenze kommt, wo der parameditative Zustand eintritt. Man fährt dann seinem alten Adam ein paar Meter davon. Ich behaupte, der heimkehrende Radfahrer ist ein besserer Mensch. Jedenfalls ähnelt er weniger dem Neurotiker, der sich auf den Sattel geschwungen hatte.

Peter Sloterdijk im SZ Magazin 45/2014