Philipp Seißer war in der Nacht zum 8. April 1919 in seinem Haus verhaftet und in die Residenz gebracht worden, wo er mehrere angesehene Würzburger – Hofräte, Offiziere, Mitglieder des Magistrats sowie einen Universitätsprofessor – antraf, die ebenso festgesetzt waren. Und wie der Kaufmann später dem Gericht erzählte, sei die Unterhaltung in dieser Runde „eine sehr anregende und fidele“ gewesen, an der auch die Wachmannschaften teilnahmen. Am nächsten Morgen erhielten die Gefangenen von der Frau des Schlossverwalters ein für die Verhältnisse geradezu luxuriöses Frühstück. Auch habe man sich die gereichten Zigarren und Zigaretten sehr gut schmecken lassen. Zu allem Überfluss hätten die Geiseln dann noch sechs Bocksbeutel zugeteilt bekommen, so dass sie den Vormittag – an dem sie Besuch empfangen durften – in „angeregter Unterhaltung“ verbrachten.
Karsten Krampitz: Zeitgeschichte 1919: Fidele Geiselnahme (der Freitag, Ausgabe 14/2019)