Januar 2025 Archiv

Steinersophie.

Ich maße mir kein Urteil über die Anthroposophie an, denn mir ist bis heute nicht deutlich klar, was sie will und bedeutet; ich glaube sogar, daß im Wesentlichen ihre verführende Wirkung nicht an eine Idee, sondern an Rudolf Steiners faszinierende Person gebunden war.

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern (1944)

Frei Zeit.

Überblicke ich mein Leben, so kann ich mich an wenige so glückliche Augenblicke erinnern wie jene ersten dieser Universitätszeit ohne Universität. Ich war jung und hatte darum noch nicht das Gefühl der Verantwortung, Vollendetes leisten zu müssen. Ich war leidlich unabhängig, der Tag hatte vierundzwanzig Stunden, und alle gehörten mir.

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern (1944)

Zu jung und zu glücklich.

Wir dachten zwar ab und zu an den Krieg, aber nicht viel anders, als man gelegentlich an den Tod denkt – an etwas Mögliches, aber wahrscheinlich doch Fernes. Und Paris war zu schön in jenen Tagen und wir selbst zu jung und zu glücklich.

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern (1944)

Vernunffnung.

Ach, wir liebten alle unsere Zeit, die uns auf ihren Flügeln trug, wir liebten Europa! Aber dieser vertrauensselige Glaube an die Vernunft, daß sie den Irrwitz in letzter Stunde verhindern würde, war zugleich unsere einzige Schuld.

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern (1944)

Verschwesterung vergessen.

Wir glaubten genug zu tun, wenn wir europäisch dachten und international uns verbrüderten, wenn wir in unserer — auf das Zeitliche doch nur auf Umwegen einwirkenden — Sphäre uns zum Ideal friedlicher Verständigung und geistiger Verbrüderung über die Sprachen und Länder hinweg bekannten.

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern (1944)